Kleid im Stil des Rokoko: Unterwäsche
Beim Golden-Oldies-Festival 2004 haben wir Herrn Kelle kennengelernt. Er ist seines Zeichens ambitionierter Hobbyfotograph und hat beim Festival 2005 dann einen richtigen Fototermin mit uns gehabt.
Die Fotos haben wir anschliessend auf einer CD erhalten. Mit auf der CD waren Bilder vom Fürstentreff in Bad Pyrmont. Beim Ansehen habe ich gleich Blut geleckt.
Schnell war klar: Da machen wir 2006 mit!

Die ersten Ideen für einen Schnitt waren geprägt von den historischen Kleidern im Kostümmuseum der Ca´ Mocenigo in Venedig. Ich wollte aber keine Francaise nähen, da mir die Faltenlegung im Rücken für ein Rokoko-Erstlingswerk nicht ganz geheuer war.

Also habe ich mir einen Schnitt für eine Robe á l'Anglaise von J.P.Ryan bei Fantasykleidung.de gekauft.





Ähnlich wie bei den Tournüren-Ensembles nähe ich auch hier von unten nach oben. Das heisst, daß ich mit der Unterwäsche anfange und danach langsam zur Oberkleidung vordringe.

Aus dem "Historische Schnitte"-Buch von Müller und Sohn stammen meine Paniers. Die Schnittskizze dazu ist sehr einfach und der Schnitt war schnell gezeichnet.
Die Paniers sind aus Bomull vom Ikea, mit je drei Stahlreifen in Form gehalten und haben auf der Oberseite eine Tasche mit Taschenbeutel.
Irgendwo muss die Dame von Welt ja lebensnotwendige Alltagsgegenstände (Geld, Telefonino und Lippenstift) unterbringen.

Beide Teile haben einen Tunnel im oberen Saum, durch den ein Band zum Schnüren gezogen wird. Dadurch sind die Paniers paßformunsensibel und passen sich der Taille mit und ohne Korsett an.




 
Leider drücken die Reifen durch den Oberstoff, wenn man einen Rock darüber trägt.
Daher habe ich mir die künstlerische Freiheit genommen, über die Hüftkörbe einen "Lappen" mit Rüschen zu setzen. Das hat schon bei meiner Tournüre gut funktioniert; die Form wird dadurch runder und weicher. Außerdem hatte ich noch einen Rest Bomull übrig, also weg damit.

Damit ich weiterhin Zugriff auf die Taschen habe, haben die Rüschenüberwürfe in der Mitte Schlitze.





Damit die Optik stimmt, braucht man eine Schnürbrust.

Diese ist anders geschnitten als die Korsetts der viktorianischen Zeit: Die Brust wird durch das Korsett nicht gerundet nach vorne betont, sondern mehr oder weniger flachgedrückt.
Dadurch erzielt man auch mit weniger "Holz vor der Hütte" ein nettes Decolleté.

Mein erster Schnürbrustversuch war nach einem Schnitt von "Corsets and Crinolines", aber leider war die ganze Sache hoffnungslos zu kurz. Ich dann habe den Schnitt von Marquise.de heruntergeladen.
In Größe 40 passte das Probemodell schon recht gut.


Ich habe die Schnürbrust aus 3 Lagen Gabardine genäht.
Die beiden unteren Lagen sind mit Nähten verbunden und bilden so die Tunnel für das Plastikfischbein (von corset-wg.de).
Ich habe rund 10 m Fischbein verarbeitet (damit hatte ich eine halbversteifte Schnürbrust) und jedes Stück an den Enden ordentlich rundgeschmirgelt.
Alleine diese Arbeit hat einen Nachmittag in Anspruch genommen, das Steppen der Tunnel war auch eher nervtötend.


Auf das Fischbein-Sandwich habe ich dann eine Lage des Oberstoffs genäht.
Die Lagen werden mit Schrägband eingefasst, was bei den Zaddeln im Taillenbereich ziemlich fummelig ist.
Wie im Bild zu sehen, habe ich aus praktischen Gründen auf handumstochene Ösen und Spiralschnürung verzichtet.
Ich komme mit der Kreuzschnürung besser zurecht und später sieht niemand mehr, welche Ösen unter dem Kleid stecken. Allerdings werden ich noch ein anderes Seidenband zum Schnüren besorgen.



Immerhin habe ich mich mal in handumstochenen Ösen probiert.
Die Schulterteile werden am Vorderteil mit Bändern fixiert, dort hat der Handnähversuch auch gut geklappt.
Ich habe erst die Löcher mit einem Dolch (Baumarkt, dient eigentlich zum Anpieken von Bohrlöchern in Holz) vorgedehnt und dann das Loch mit einem doppelt genommenen Faden gespannt.



Die Front der Schnürbrust habe ich noch mit einem Ornament verziert.
Die Holzmodel für den Stoffdruck kommen von Blauweiss´chen.

Auch hier werden die Schnüre an der Schulter noch durch Seidenbänder ersetzt.





Fenster schließen